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„Eh nur ein Baum!“

„Eh nur ein Baum!“

Oder: Wie unsere Demokratie zu Feuerholz verarbeitet wird.

Während die heimischen Medien teilweise sehr kritisch über die internationale Politik berichten, wird dem schleichenden Versuch, die Demokratie in Österreich auszuhöhlen, oftmals viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

„Aktion 21 – Pro Bürgerbeteiligung“ lud für Montag, 15. Juni, in Wien zu einer Pressekonferenz, um diese Entwicklung an Hand eines Beispiels zu thematisieren. Anlaßgebend dafür ist das Engagement der „Bürgerinitiative Luegerplatz“ [1]. Diese engagiert sich seit 2006 gegen den Bau einer Tiefgarage unter der riesigen, seit 1994 unter Naturschutz stehenden Platane, auf dem Dr. Karl Lueger-Platz im 1. Wiener Gemeindebezirk.

Die AnrainerInnen-Befragung
Die teure, zwischen 8. und 19. Juni 2009 stattfindende AnrainerInnen-Befragung im Umkreis von 300 Metern um das Garagenprojekt war nicht die Idee der BürgerInnen-Initiative. Sie hat vielmehr von Anfang an auf die Kraft ihrer sachlichen Fragen und Argumente gesetzt:

Besteht wirklich ein Bedarf an weiteren Garagenplätzen im Bereich Luegerplatz, wenn gleichzeitig sogar in Spitzenzeiten hunderte Stellplätze in den naheliegenden Garagen ungenutzt bleiben?

Keine Gefährdung der Platane: Warum ist es dann notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gefährdung auf ein „vertretbares Restrisiko“ zu beschränken?

Wem ist eigentlich mit einem hoch subventionierten Garagenplatz gedient, der jährlich – trotz Subvention! – das Vierfache eines Parkpickerls kostet?

Der Garagenkoordinator konnte bis heute keine Bedarfsgutachten vorlegen; obwohl drei Jahre Zeit dafür gewesen sind. Dieser Argumentationsnotstand ist wohl auch der zentrale Grund, warum man versucht, sich mittels einer „Befragung“ einen Persilschein für den Garagenbau zu organisieren. Für den „richtigen“ Ausgang der Befragung ist da fast jedes Mittel recht.

Eine Auswahl an den mit der Befragung in Zusammenhang stehenden Ungeheuerlichkeiten boten an diesem Montagvormittag Herta Wessely (Obfrau von „Aktion 21 – Pro Bürgerbeteiliung“ [2], einer überparteilichen und unabhängigen Vereinigung von Wiener Bürgerinnen-Initiativen), sowie Helmut Hofmann und Karin Jahn von der „Bürgerinitiative „Luegerplatz“ [1].

Mit codierten Stimmzetteln anonym abstimmen?
Sowohl am Stimmzettel als auch bei der Adresse des jeweils beiliegenden Schreibens findet sich ein Nummerncode. Eine Zuordnung der Antwort zur Person ist möglich. Niemand kann garantieren, daß eine solche Zuordnung nicht auch gemacht wird. Der Satz in der Aussendung des Wirtschaftsbundes an seine Mitglieder bezüglich dieser Befragung „Nehmen Sie Ihr demokratisches Stimmrecht in Anspruch!“ klingt in diesem Zusammenhang wie blanker Hohn.

Wer bei der „richtigen“ Kammer Mitglied ist, ist dabei!
Nicht nur, daß Personen mehrmals angeschrieben wurden, beispielsweise als WählerIn und als LiegenschaftseigentümerIn oder als GeschäftseigentümerIn und Privatperson, ist es auch von Relevanz, bei welcher Kammer man Mitglied ist. Wirtschaftskammermitglieder sind beispielsweise stimmberechtigt, Arbeiterkammermitglieder nicht. Dieser Umstand ist insofern von Bedeutung, da Angestellte in Geschäften / Betrieben / Schulen / Ministerien / (wissenschaftlichen) Institutionen nicht an der „Befragung“ teilnehmen dürfen. Eine Anfrage seitens der BürgerInnen-Initiative an den Arbeiterkammer-Präsidenten Herbert Tumpel blieb bis dato unbeantwortet.

Wer richtig layoutiert, hält Gegenstimmen optisch im Zaum
Ein auf den ersten Blick nicht erkennbares Gustostückerl stellt die Layoutierung des dem Schreiben und Stimmzettel beiliegenden Blattes mit den Pro- und Kontra-Argumenten dar. Letztere wurden in einer kleineren Zeichengröße verfaßt, der erste (optische) Eindruck der dabei entsteht: Es gibt weniger Argumente gegen als für den Garagenbau; erst ein zweiter, vielleicht manchmal unterbleibender Blick offenbart den „faulen“ Trick.

Was tun mit dem Ergebnis?
Die Auszählung der Stimmen soll am 25. Juni erfolgen. Für die BürgerInnen-Initiative stellt sich die Frage: Wie soll mit dem Ergebnis der „Befragung“ umgegangen werden? Ist ein wie immer geartetes Ergebnis, das auf solch dubioser Basis zustande gekommen ist, akzeptabel? Wie immer das Resultat der BürgerInnenbefragung ausgehen mag: „Eh nur ein Baum“ steht für in Gang gesetzte Prozesse, die sukzessive, von einer breiten Öffentlichkeit unbemerkt, von den Medien großteils ignoriert, demokratische Prinzipien aus den Angeln heben – und die Aufforderung, das demokratische Stimmrecht in Anspruch zu nehmen, zur hohlen Phrase verkommen lassen.

Es wundert nicht, daß sich viele WienerInnen enttäuscht von dieser Form der Politik und Interessensvertretung abwenden, die vor allem eines tut: PopulistInnen und DemagogInnen Feuerholz für ihr unseliges Wirken liefern.

Text: Petra Öllinger
Fotos: Petra Öllinger

Luegerdenkmal mit Tafel "Ich bin dagegen" [3]Heinrich Hofmann, Herta Wessely, Karin Jahn am Podium [4]Pressekonferenz Aktion21 [5]

Aktion 21 – Pro Bürgerbetiligung [2]
Bürgerinitiative Luegerplatz [1]